Am 03. Dezember jeden Jahres findet der internationale Tag für Menschen mit Behinderung statt. Dieser wurde 1993 von den Vereinten Nationen ausgerufen und widmet sich dem Ziel mehr Aufmerksamkeit auf die oft schwierigen Lebensumstände von Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen zu lenken. Personen mit Behinderungen werden in ihrem Alltag vor viele Herausforderungen gestellt. Diese Barrieren behindern eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Sowohl Fortbewegung und Orientierung, als auch Kommunikation kann so eine Barriere darstellen.
Trotz dessen, dass Physiotherapie ein Bereich des Gesundheitssystems ist, ist auch dieser Raum nicht immer barrierefrei. So können zum Beispiel Personen mit Sinnesbeeinträchtigungen wie Gehörlosigkeit auch hier auf Hindernisse stoßen. Um diese Hindernisse beleuchten zu können schauen wir uns einmal den „normalen“ Ablauf bis zum Termin beim Physiotherapeuten an und vergleichen diesen für gehörlose Menschen.
Für Personen ohne Beeinträchtigung geht der Weg zum Physiotherapeuten über die telefonische Terminvergabe bei einem Arzt. Hier wird das Anliegen geschildert und man bespricht einen möglichen Therapieverlauf. Alle notwendigen Informationen (z.B. Symptome, Medikamentenunverträglichkeiten, Vorerkrankungen, Verletzungsabläufe etc.) werden direkt besprochen. Genauso ist es auch vor Ort in der Praxis für Physiotherapie. Der Patient erzählt auf Nachfrage die typischen Informationen wie:
Was? Wo? Seit Wann und Wodurch kam es zu den Schmerzen am Körper?
Der Physiotherapeut testet auf verschiedenste Weise den Körper, worauf hin der Patient ein Feedback gibt. Im besten Fall werden Schmerzen somit schnell reduziert und die Behandlung ist nach einigen Einheiten abgeschlossen.
Für Menschen mit Beeinträchtigung, in unserem Beispiel mit Gehörlosigkeit, ist dieser Weg anders. Die erste Hürde findet schon in der Terminvereinbarung statt. Patienten, die nicht hören können, können nicht einfach bei ihrer Ärztin anrufen und einen Termin vereinbaren. Auch bei dem Gespräch zwischen Patient und Ärztin kann es zu Kommunikationsproblemen kommen. Gehörlose Menschen kommunizieren über Gebärdensprache. Jedes Land hat eine eigene Gebärdensprache, in Deutschland ist dies die Deutsche Gebärdensprache (DGS). Bestimmte, vielleicht sogar entscheidende Informationen können verloren gehen, wenn ein Gesprächspartner die Sprache des anderen nicht spricht, was den Therapieverlauf massiv verändern kann. Bekommt der Patient dennoch ein Rezept für Physiotherapie verordnet, geht das Problem mit der Terminvergabe in die 2. Runde. Auch während des Erstgespräches besteht das Risiko, dass Informationen für die Physiotherapeutische Untersuchung aufgrund des Kommunikationsproblems nicht besprochen werden können.
„Was hat mein Patient? Wie verträgt mein Patient die Behandlung? Bin ich an der richtigen Stelle?“ sind Fragen, die sich ein Therapeut dann stellen könnte. Im Zweifelsfall greift der Therapeut vielleicht auch nur auf Massagetechniken zurück. Diese Behandlungsmethode ist oft nicht langfristig wirkungsvoll. Besteht eine Sprachbarriere werden Patienten häufig anders behandelt, als andere.
Dieses Problem kann im Regelfall nur durch die Unterstützung eines Dolmetschers für Deutsche Gebärdensprache umgangen werden, wovon es in Deutschland nur wenige gibt. Aber auch mittels anderer Hilfestellungen können wir Physiotherapeuten auf die Bedürfnisse von gehörlosen Patienten eingehen. Das könnten zum Beispiel sein: Terminvergaben per E-Mail, Anamnesebogen online oder per E-Mail zum Zuhause ausfüllen, schriftliche Kommunikation vor Ort mit altmodischem Zettel und Stift oder digital per Tablet. Die Möglichkeiten sind in vielen Praxen sogar schon möglich und wir glauben am Ende kommt es vor allem auf eine wichtige Sache an: das WOLLEN! Möchte ich meinem Gegenüber das Gefühl geben gehört und aufgenommen zu werden, oder nicht?
Quellen:
- https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/menschen-mit-behinderung-2246674
- Bild: Canca Pro – gehörlosigkeit menschen