Faktencheck: Kinesiologisches Taping- das bunte Baumwollpflaster

Erst im Jahr 1973 entwickelte Kenzo Kase (†2023) ein elastisches, buntes Baumwollpflaster, welches auf der Haut von Leistungssportlern aufgetragen wird, um Wirkungen zu erzielen, welche die Gesundheit fördern sollen. Der japanische Chiropraktiker wollte eine Möglichkeit schaffen, die Mobilitäts- und Stabilitätsfunktion des menschlichen Bewegungsapparates zu unterstützen, um nach Sportverletzungen mit moderater Bewegung Heilungsprozesse zu fördern. 1

Nachdem japanische und koreanische Leistungssportler das Tape zum ersten Mal, bei den olympischen Spielen 2008 in Peking, international präsentierten, wurden auch andere Länder auf die bunten Pflaster aufmerksam.2

Heute kennen sowohl Patienten, als auch Ärztinnen und Therapeuten verschiedenste Anwendungsbeispiele für das dehnbare Textilpflaster. Beginnend mit der Sportphysiotherapie, Traumatologie und Orthopädie, bis hin zur Lymphologie, Faszientherapie und Neurologie. Es boomt die Branche an Einsatzmöglichkeiten und Schulungsangeboten.

Das Baumwollgewebe, welches mit Elastan und Viskose gemischt ist, kann eine Dehnfähigkeit von bis zu 130-180% (je nach Hersteller) erreichen und soll somit den physiologischen Gelenkbewegungen folgen können. Ähnlich wie die menschliche Haut selbst. Das Besondere ist weiterhin, dass Kinesiologisches Tape sowohl durchlässig für Luft und Wasser ist und gleichzeitig, trotz Duschen oder Schwitzen, auf der Haut haften kann. Verschiedene Hersteller geben an, dass das „Tape“ zwischen 5-14 Tagen auf kleben kann.

Weit verbreitet und auch für Laien zugänglich, ist es notwendig über die Wirkweise und Anwendung informiert zu sein. Hier der kurze Faktencheck des Kinesiologischen Tapes:

1 Verschiedene Erklärungsmodelle und Studienlage

Ähnlich wie viele andere Denkmodelle, lehnt auch Kase’s Idee der Wirkung an traditionell fernöstliche Medizin an, den Körper in seiner Selbstheilung zu unterstützen. Auch hierzulande lässt sich einen Trend erkennen, der Weg von der bekannten PECH- Regel nach Verletzungen und hin zu PEACE & LOVE3 in der Rehabilitation führt. Dass Kinesiologisches Tape dabei allerdings eine Unterstützung ist, ist derzeit nicht bewiesen. Immer wieder gibt es verschiedene Modelle, die allerdings an der Subjektivität der Fallbeispiele und der unterschiedlichen Schmerzwahrnehmung der Patienten scheitern.

Durch die Anwendung auf der Haut, sollen bestimmte darin befindliche „Mechanozeptoren“ gereizt werden, welche auf Berührung, Dehnung und Druck reagieren. Dies soll den Stoffwechsel des „getapten“ Hautareals aktivieren. Besondern gut funktioniert dies in aktiver Bewegung des Körpers. Dass allerdings hier das Tape die Stimulation der Mechanozeptoren auslöst oder es die körpereigene Bewegung der Muskulatur veranlasst, kann in einer Studie nicht bewiesen werden.

2 Kinesiologische Farbenlehre und deren Wirkweise von Tape auf den Körper

Mittlerweile werden Kinesiologische Tapes in verschiedensten Farben verkauft, welche unterschiedlichste Interpretationen haben sollen.

Rotes Tape      

Die Farbe Rot wirkt aktivierend und erwärmend. Das rote Tape soll durchblutungs- und stoffwechselanregend arbeiten.

Blaues Tape      

Blaues Tape soll der Unterstützung der Entspannung dienen, beruhigen und schmerzlindernd wirken. Außerdem soll es besonders effektiv den Lymphfluss aktivieren.

Gelbes Tape     

Gelbe Farbe soll besonders wundheilungsfördernd arbeiten und das Immunsystem anregen. Dazu wird es als aufhellend und nervenstärkend beschrieben.

Schwarzes Tape

Schwarzes Tape steht für Stärke. Es soll psychologisch weniger auf Schmerzpunkten aber viel mehr bei Kontaktsportarten angewendet werden, in denen der Träger eine starke Kraftentwicklung benötigt.

Manche Kinesiologen bzw. Anwender sprechen auch davon, dass der Träger sich „seine Farbe“ selbst aussuchen soll, um die für ihn stärkste Wirkweise zu erzielen. Allerdings gibt es, die Farbwahl betreffend, keine wirksame und verlässliche Studienlage. Industriell gesehen, ist die Farbpalette und Möglichkeit neue Tapes in verschiedenen Farben auf den Markt zu bringen groß. Unterschiedlich gefärbte Tapes haben keinen besonderen Inhaltsstoff. Faktisch gibt es keine Rezeptoren in der Haut, die eine Farbe erspüren können.

3 Kontraindikationen und Nebenwirkungen

Je nach Hersteller und Literatur variieren die Faktoren, bei der von einer Anwendung mit Tape abgeraten wird. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Pflasterallergien
  • Offene Wunden / Wundheilungsstörungen
  • Akne, Erysipel, Sonnenbrand und Psoriasis
  • Fieber
  • Bösartige Tumorerkrankungen

Im Zweifelsfall ist es ratsam, sich an eine Ärztin oder einen Therapeuten zu wenden.

4 Psyche und deren Einfluss auf die Therapie

Eine nicht zu unterschätzende Komponente in der Therapie, ist die Wirkung der eigenen Psyche. Ob Placebo-Effekt4 oder Halo-Effekt5 – wenn ein Mensch sagt: „Mir hat das geholfen!“ sollte man dies erstmal auch für bare Münze nehmen. Niemand kann den eigenen Körper besser verstehen und nachempfinden, als man selbst. Und solange in der Therapie keine Heilversprechen oder Nebenwirkungen auftreten, ist Kinesiologisches Tape eine gute Unterstützung.

5 Fazit

Aus Sicht der Studienlage ist die Bewertung von kinesiologischem Taping eindeutig. Es gibt keine Hinweise auf einen wirksamen und verlässlichen Effekt für den Körper. Innerhalb der letzten Jahrzehnte scheint die persönliche Anerkennung und daraus resultierenden Anwendungsgebiete dennoch zu wachsen. Wer gibt uns das Recht, über die Empfindungen eines Menschen urteilen zu können, wenn die Anwendung gleichzeitig nicht zu Nebenwirkungen führt? Vielleicht fehlen uns noch die notwendigen wissenschaftlichen Parameter, die eine Beweisbarkeit möglich machen.

Grundsätzlich können wir für unsere Praxis sagen, dass wir gerne mit Tape als ergänzende Therapiemaßnahme arbeiten. Ob zum Beispiel als Stabilisationstape am Sprungelenk, als Unterstützung für eine längere Therapiepause durch Urlaub oder bei Schwellungen nach Operationen- entweder es hilft und wir können darauf zurückgreifen oder es hilft nicht und wir haben diese Möglichkeit wenigstens mal probiert.

Quellenverzeichnis:

  1. Kase, K., Wallis, J. and Kase, T. (2003) Clinical Therapeutic Applications of the Kinesio Taping® Method. 2nd Edition, Kinesio Taping Association, Dallas, 12